Warum?
„Mama, warum geht das nicht?“
„Schau mal, wir haben ja gar keine Zeit für ein Haustier.“
„Warum nicht?“
„Ich muss arbeiten, du gehst zur Schule und dein Bruder in den Kindergarten.“
„Am Nachmittag sind wir ja da.“
„Hm, welches Haustier habt ihr euch denn überhaupt vorgestellt?“
Anfängerfehler! Wie kann man nur durch solch eine Frage mögliches Nachgeben signalisieren?
„Wir wollen einen Hund.“
„Unmöglich!“
„Warum?“
Eh klar, was hatte ich erwartet?
„Mit einem Hund muss man spazieren gehen. Dafür ist in der Früh keine Zeit und am Abend bin ich müde.“
„Wir können ja mit ihm spazieren gehen.“
Darauf wollte ich nicht eingehen.
„Wir wollen ja im Sommer in den Urlaub fliegen. Mit einem Hund geht das nicht.“
Urlaub war ihnen wichtig. Die Diskussion hätte jetzt beendet sein müssen.
Denkste!
„Wir können den Hund zu Oma und Opa bringen.“
„Nein mein Schatz, Opa hat eine Hundeallergie.“
„Warum hat er die?“
Musste man alle Fragen seiner Kinder beantworten? Oder war es pädagogisch vertretbar, auf die eine oder andere Erklärung zu verzichten?
„Wir können eine Katze haben.“ Völlig unschuldige Ansage meines Vierjährigen. Argwöhnisch sah ich die beiden an. Klar war der jüngere zur Unterstützung des großen Bruders angetreten.
„Eine Katze geht auch nicht.“
„Sie kann zur Oma, wenn wir nicht da sind. Der Opa hat keine Katzenallergie. Sie haben selber zwei Katzen.“
Kleine Kröten! Es wäre toll gewesen, wenn sie so gut aufpassen würden, wenn ich etwas von ihnen wollte!
„Katzen kann man nicht einfach woanders hinbringen. Sie müssen in ihrer gewohnten Umgebung sein.
„Warum?“
„Wir reden jetzt nicht mehr darüber.“
„Warum nicht?“
Böser Blick und keine Antwort meinerseits.
„Später wieder?“
„Vielleicht.“
Aus dem vielleicht wurden unzählige Diskussionen. Zu jeder Tages- und Nachtzeit in allen möglichen und unmöglichen Situationen.
Die beiden Lieblings- (weil einzigen) Enkelsöhne schütteten Oma und Opa ihr Herz aus.
„Also hör mal Claudia, du wirst doch für deine Buben ein Haustier anschaffen können!“
Nein, konnte und wollte ich nicht!
Die beiden schreckten auch nicht davor zurück, jedem, der es hören oder auch nicht hören wollte, ihren Kummer zu erzählen. Was war die Folge?
„Claudia, geh, sie wünschen sich‘s so sehr!“
„Und wer wird sich drum kümmern?“
„Na wir!“ Stolzes Brustrecken meiner Söhne. Ich glaubte ja so manches. Aber selbst meine Naivität kannte Grenzen.
Egal, wen ich in den nächsten Wochen traf, es gab eine Standardfrage „Habt ihr schon ein Haustier?“ „Mama bitte!“ Folgte darauf verlässlich mit einschlägigem „wir wünschen es uns so sehr, sonst brauchen wir nie wieder was“-Blick.
Meine „Haustier-Nerven“ waren allmählich zum Zerreißen gespannt.
Im Garten einer Arbeitskollegin nahm das Schicksal seinen Lauf.
„Mama schau!“
Die beide standen vor einer Art Sandkiste.
„Was gibt‘s?“ Fragte ich argwöhnisch.
„Komm her, wir müssen dir was zeigen!“
Ich kam und sah. In der Sandkiste ohne Sand fraß mit hörbarem Genuss eine griechische Landschildkröte ihre Wassermelone.
Nein! Sie wollten ein Tier mit Fell zum Streicheln, KEINE Schildkröte!
„Mama, wir wollen Schildkröten. Mit Schildis muss man nicht spazieren gehen und sie fressen Grünzeug aus dem Garten.“
Ich muss ziemlich blass gewesen sein.
„Im Winter kannst du sie eingraben“, sprach meine Kollegin mir Mut zu, oder war‘s Trost?
Leo und Toni waren letztendlich unser Kompromiss. Von Oktober bis April grabe ich sie im Garten ein. Wenn wir weg sind, werden sie von Oma und Opa gefüttert.
Meine Herren Söhne haben sich bestimmt drei Wochen um unsere neuen Familienmitglieder gekümmert. Seit 14 Jahren bin ich für sie zuständig. Ihre Lebenserwartung ist 80 bis 100 Jahre.
Bei guter Haltung werden sie also meine Söhne überleben.